von Frida
Auf der Suche nach einem Thema, das mir auf der Seele brennt, bin ich immer wieder auf die Schlagwörter friedliches Zusammenleben, Wertschätzung, und soziale Ungerechtigkeit gestoßen. Nach einiger Überlegung habe ich mich daher für ein Thema entschieden, das all diese Aspekte vereint, gleichzeitig aber auch einen messbaren Output hat:
VEGETARISCH LEBEN!
Zum einen geht es mir dabei um die Ethik eines friedlichen Zusammenlebens zwischen Mensch und Tier, bei dem sich der Mensch nicht über das Tier stellt. Zum anderen steht das Tier nach dem Menschen ganz oben in der Nahrungskette, mit einem entsprechend großen Verbrauch an Ressourcen sind Haltung, Züchtung und Verwertung der Tiere verbunden. Welche Auswirkungen der Verzehr von Fleisch sowohl auf die Umwelt als auch auf das Leben vieler Menschen hat, ist uns meist nicht im vollen Ausmaß bewusst. Und auch ich habe gemerkt, dass mir zwar die groben Zusammenhänge bekannt sind, ich diese aber auch gerne verdränge, wenn ich in den Supermarkt gehe, um die Bratwurst für den gemeinsamen Grillabend mit Freunden zu kaufen.
Also habe ich mir vorgenommen, mich im sechsmonatigen Selbstversuch intensiver mit dem Thema auseinander zu setzen. Denn, um ein weiteres Kolibri-Mitglied zu zitieren:
„Wenn wir eine Konsumentscheidung treffen, geben wir unsere Stimme ab. Der Kauf von Billigfleisch ist gleichbedeutend mit einem „ja“ zur Massentierhaltung, „ja“ zur sozialen Ungerechtigkeit, „ja“ zur Zerstörung der Umwelt.“
Eine kulinarische Herausforderung?!
Zunächst hat mich das Projekt sehr motiviert. Ich liebe Herausforderungen und „Neues“ auszuprobieren. Da ich meine Lieblingsgericht Spaghetti Bolognese nun nicht mehr täglich essen konnte, wurde ich automatisch mit einem Umdenken meiner Kochkünste konfrontiert.
Meine erste Challenge bestand darin, neue Rezepte auszuprobieren. Gott sei Dank wird man im Internet mit einem variantenreichen Angebot versorgt. Hier vier meiner Experimente:
Alle Gerichte waren sehr lecker, vor allem bei der Soja- Lasagne habe ich kaum einen Unterschied zur Fleischlasagne geschmeckt.
Ein wenig traurig wurde ich tatsächlich bei meinem Lieblingsitaliener, bei dem ich normalerweise ohne auf die Karte zu schauen, immer einen guten Rotwein und Lasagne bestelle. Leider hat mein Italiener noch keine Sojalasagne im Angebot - ich bin deshalb jetzt auf Spinatpizza (mit viel Knoblauch) umgestiegen!
Feierlicher Widerstand
Schwieriger wurde es dann schon um die Weihnachtszeit. Die Festtage sind doch traditionell mit einem hohen Anteil an Fleischkonsum verbunden. Auf der alljährlichen Weihnachtfeier meiner Arbeit,
habe ich mich über die Beilagen am Buffet gefreut, während sich meine Kollegen und Kolleginnen den Entenbraten, das Rinderfilet oder den „Loup de Mer“ schmecken ließen.
Am Tisch kamen dann auch schnell die ersten Fragen auf, als ich nur Kartoffeln mit Sauce und Salat aß. Schnell wurde ich mit meinem neuen Lebensstil entlarvt.
Während die einen mir das vollste Verständnis und den größten Respekt entgegenbrachten, verstanden die anderen nicht, warum ich mich diesem kulinarischen Genuss freiwillig entzog. Ihr müsst dazu
wissen, dass bei uns in der Praxis jeder Einstand, Geburtstag oder sonstige Feierlichkeiten mit einer ordentlichen Portion Frikadellen und Senf zelebriert werden.
Das Weihnachtsessen war dann auch bei meiner Familie ein Thema. Zunächst stieß es auf Unverständnis, warum ich mir diese Tortur jetzt auch noch antun wolle, und ob das nicht meiner Gesundheit schädigen würde. Da wir traditionsgemäß am Heiligen Abend Raclette essen, wurden Gott sei Dank nur der erste und zweite Weihnachtsfeiertag problematisch. In unserer Familien-WhatsApp-Gruppe wurde dann die Bestellliste des Dorfmetzgers herumgeschickt mit dem Kommentar: „Bitte ankreuzen, was ihr haben wollt. PS: Frida, ganz unten auf der Liste stehen auch leckere Beilagen.“ So aß ich am ersten Weihnachtabend Kartoffelgratin. Für den zweiten Weihnachtsabend war ich selbst als Köchin eingeteilt.
Auf der einen Seite muss ich gestehen, dass beide Weihnachtsessen ein kurzes Verlangen nach einem guten Fleischgericht bei mir auslösten. Auf der anderen Seite habe ich das Unverständnis von Kollegen oder Familie nicht als belastend oder negativ empfunden. Ich habe mich eher als eine Kämpferin für eine gute Sache gesehen und war stolz auf mein Durchhaltevermögen, den Fleischgelüsten zu wiederstehen.
Weihnachten hatte ich damit also gut überstanden. Über Silvester bin ich dann nach Portugal gereist, um ein paar Tage den portugiesischen Jakobsweg zu bewandern. Nach sieben bis acht Stunden Laufen pro Tag, bin ich abends hungrig in das nächstgelegene Bistro oder Restaurant gepilgert. Ich hatte die Wahl zwischen einem Fleisch- oder Fischgericht. Die Beilagen bestanden meist aus irgendetwas „Frittiertem“. Ich habe mich dann entschieden, in Portugal eine Ausnahme zu machen und Fisch zu essen. Nach so langer Wanderzeit konnte ich mich schließlich nicht nur von Pommes mit Mayo ernähren.
Die größte Herausforderung, mich freiwillig vegetarisch zu ernähren, kam mit der Karnevalszeit. Als karnevalsliebende Kölnerin, feiere ich gerne und viel. Traditionsgemäß gehört zu einem guten Weiberfastnachtsfrühstück der „Mettigel“, ein Haufen Mett, welches mit Salzstangen verziert einem Igel ähneln soll. Auch auf das leckere „Frikadellschen“, die Curry-Wurst oder die Gulaschsuppe als Zwischenmahlzeit in der Kneipe, vielen leider weg. Dennoch bin ich diszipliniert geblieben, auch wenn das dazu führte, dass ich mich am Veilchen-Dienstag ausschließlich flüssig ernährt habe und den darauf folgenden Tag dementsprechend im Bett verbringen musste. Nach dem Feiern gab es Falafel anstatt Döner.
Es geht auch anders!
Mich für einen Weg zu entscheiden fällt mir oft nicht leicht. Habe ich mich jedoch einmal für ein Ziel entschieden, bin ich in der Umsetzung sehr ausdauernd und diszipliniert. Zusätzlich war mir die Kolibri-Gemeinschaft auf jeden Fall eine große Motivationsstütze. Durch die regelmäßigen Treffen und dem dazugehörigen Austausch über Erfahrungen, Erlebnisse und Konflikte habe ich mich während meines Selbstversuches definitiv motivierter gefühlt. Zu wissen, man wird unterstützt und begleitet, hat mein Durchhaltevermögen verstärkt. Des Weiteren hat mich die Auseinandersetzung mit dem Thema sehr motiviert. Durch Dokumentationen, Bücher und einen Besuch bei einem Demeter-Hof, habe ich mich über unterschiedliche Möglichkeiten der Tierhaltung und Lebensmittelherstellung informiert.
Vor allem der Besuch auf dem Demeter-Hof hat mich nachhaltig in meinem Kaufverhalten beeinflusst. Je lebensnaher das Geschehen ist, desto mehr Verbundenheit und Verantwortung spüre ich. Ich habe gesehen, dass Tiere in großen Gehegen gehalten werden. Natürlich dienen die Tiere immer noch als Nutztiere für die Fleisch-, Eier oder Milchproduktion, aber immerhin führen sie bis zur Schlachtung ein möglichst tiergerechtes Leben.
Hühner sitzen nicht dicht aneinander in Legebatterien, sie laufen frei herum. Der Hahn, der in der Eierproduktion keinen Nutzen findet, darf hier Teil Hühnerfamilie sein.
Die Milchkühe finden ausreichend Platz in ihren Ställen und haben Auslauf auf der Weide. Im Gegensatz zur Massentierhaltung behalten sie ihre Hörner. Auch die Schweine werden in ausreichend großen Ställen ohne Spaltenboden gehalten
Mein Fazit aus einem halben Jahr Fleischverzicht
In Deutschland lässt es sich – vor allem in Großstädten – problemlos vegetarisch leben. Viele Restaurants haben sich mittlerweile auf die gestiegene Nachfrage bezüglich vegetarischer und sogar veganer Gerichte eingestellt und ihre Speisekarte erweitert.
Am meisten wurde mir mein neuer Essensstil bei traditionellen Festen und im Ausland bewusst. Hier erwies es sich als deutlich schwerer, Alternativen zum Fleischkonsum zu finden.
Letztlich sind es wieder unsere Gewohnheiten und alten Strukturen, die uns davon abhalten, umzudenken. Ich persönlich habe physisch oder psychisch überhaupt keine Veränderung gespürt. Es hat mich nicht allzu viel Mühe gekostet, auf Fleisch zu verzichten. Mein Kochverhalten musste ein wenig überdacht werden. Es fühlt sich gut an mit der Welt ein bisschen mehr im Einklang zu leben.
Finanziell habe ich lediglich einen kleinen Unterschied gespürt. Da ich in den letzten Jahren vermehrt Bioläden aufgesucht habe, sind meine Kosten für Lebensmittel eher gestiegen. Das Fleisch aus den Bioläden ist im Vergleich zum „normalen“ Supermarkt um ein Vielfaches teurer. Durch den Verzicht auf Bio-Fleisch und natürlich auch auf Billig-Fleisch, wurde mein Portmonee etwas entlastet.
Ich denke, ich werde nach dem Projekt meinen vegetarischen Lebensstil beibehalten, mir aber dann und wann, zu besonderen Anlässen, oder wenn ich mal ganz viel Fleisch-Lust verspüre, ein gutes Stück Fleisch gönnen. Dann jedoch, wenn möglich, von einem Metzger, der seine Tiere nach hohen ökologischen und tiergerechten Standards hält. Durch meinen Besuch auf einem Demeter-Hof weiß ich jetzt, dass es noch einige Bauern gibt, die Tiere artgerecht halten und auch bei ihrer Lebensmittelproduktion auf hohe ökologische und biologische Standards achten.
Euer Kolibri Frida
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