von Kwamé
Ich bin als Soldatenkind aufgewachsen. Von väterlicher Seite habe ich kein Handwerk erlebt, mein Vater ist morgens zur Arbeit aus dem Haus und nachmittags zurückgekommen – wesentlich mehr habe ich von seinen beruflichen Tätigkeit nicht mitbekommen. Meine Mutter hingegen hatte eine Großmutter, die noch von ihrem Garten lebte. Dadurch hatte meine Mutter noch zumindest eine grobe Idee, was es bedeutet, einen Garten zu bewirtschaften. In meiner Kindheit hat sie dann auch immer wieder selbst Gemüse angebaut. Auch mein Großvater hatte eine kleine Landwirtschaft, nachdem er in Rente ging. Von ihm habe ich mit neun Jahren auch mein erstes Heilkraut kennen gelernt, den Wegerich.
Schon in jungen Jahren fand ich also großes Gefallen daran, tierische und pflanzliche Produkte selbst herzustellen und vielfältig zu verwerten. Später habe ich dann einige Jahre in landwirtschaftlichen Betrieben gearbeitet und angefangen, auch im Privaten Tiere und Pflanzen zu halten. In den letzten Jahren habe ich meine Gärten derart ausgeweitet, dass meine Familie sich immer umfangreicher davon ernähren konnte.
Gleichzeitig erlebe ich, wie überall in der Welt das Wissen um die Selbstversorgergärten zurück geht. Viele reden zwar darüber, die Erde zu retten, aber die Entwicklung geht nicht in Richtung Schaffung neuer Lebensräume, sondern im Gegenteil: Überall weichen landwirtschaftliche Nutzflächen Baugrundstücken, Parkplätzen und Steingärten.
Damit einher geht ein gewaltiges Wissen- und Artensterben. Früher gab es in jeder Region verschiedene Tiere und Pflanzen, heute beobachten wir eine zunehmende Homogenisierung der heimischen Ökosysteme. Die rudimentären Reste, die heute an Gartenwissen noch in der Bevölkerung vorhanden sind, reichen nur noch in den seltensten Fällen, um jemanden davon zu ernähren.
Doch es gibt eine Gegenbewegung. Mit großer Aufmerksamkeit verfolge ich, wie sich auch in meiner unmittelbaren Nachbarschaft Menschen zusammentun, um gemeinsam Nutzgärten anzulegen und zu bestellen. Dabei erkenne ich leider immer wieder, wie schnell sich die anfängliche Euphorie bei ausbleibendem Erfolg in Frustration verkehrt. Nicht selten liegen diese Gärten nach wenigen Monaten doch wieder brach, Überwucherung und Wildwuchs der Ausdruck des agrikulturellen Scheiterns.
Und wer könnte es den aspirierenden Gärtner*innen verübeln? Woher sollen diese sich schließlich das nötige Wissen aneignen, um Land zu bestellen? Selbst die geballten und frei verfügbaren Informationen im digitalen Zeitalter sind kein Ersatz zu der jahrelangen Erfahrung, die einem die eigene Großmutter mit in die Wiege legt.
Dabei braucht es neben Wissen und geeignetem Werkzeug auch die richtige Einstellung: Dazu gehören Lernbereitschaft, jede Menge Geduld und auch eine ordentliche Portion Frustrationstoleranz. Wer im Frühjahr Kohl aussät und später Brennnesseln erntet, sollte deshalb nicht gleich resignieren. Warum es sich lohnt, am Ball zu bleiben, weiß ich aus eigener Erfahrung: Die Freude über kleine und größere Erfolge im heimischen Garten ist mit nichts zu vergleichen. Dieses Glücksgefühl haftet jeder Kartoffel, die ich mit den eigenen Händen aus dem Boden hole, auch geschmacklich an!
Ich bin überzeugt, dass wir als Menschen wieder erlernen können, Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen und mehr gute, gesunde Nahrung herzustellen, auch in industrieller Produktion. Dazu brauchen wir die Einsicht, dass es nur eine Welt gibt und die Bereitschaft, für einander da zu sein und zu teilen: Wissen, Erfahrung und Nahrung.
Euer Kolibri Kwamé
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